Dienstag, 30. Oktober 2012

Körnerweg: Kurzsichtige Denkmalschutz-Argumente

Bereits seit dem Jahr 2000(!) blockiert die Bürgerinitiative Körnerweg eine vernünftige Radweg-Lösung auf eben jenem Körnerweg. Die Argumente sind für sich genommen einleuchtend, im Zusammenhang betrachtet schaden sie aber sowohl der Natur als auch dem Denkmalschutz.
Ich habe mir erlaubt, hier die Quelle ausschnittweise zu zitieren und dagegen zu argumentieren.
Die Denkmalwürdigkeit des Körnerweges besteht in seiner historisch gewachsenen Ausformung und wird nicht zuletzt durch die besondere Eigenart des sächsischen Sandsteins bestimmt, der sich in den großformatigen Quadern der Böschungen, des Wegbelages, der Stützmauern, der Weinbergsmauern und in der Architektur der Gebäude wiederfindet. Zum Denkmalwert dieser Kulturlandschaft gehört eben dieses überlieferte homogene Erscheinungsbild einschließlich seiner Nutzungs- und Alterungsspuren.
Für sich betrachtet ist die Argumentation durchaus überzeugend. Der Fokus ist aber nur auf das einzelne denkmalwürdige Objekt gerichtet, nicht aber auf die Schutzwürdigkeit des Elbtales, des natürlichen und kulturellen Erbes insgesamt ausgerichtet.
Betrachtet man nämlich den Körnerweg als potentiellen Radweg in seinem Gesamtzusammenhang, nämlich in seiner außerordentlichen Bedeutung für den Radverkehr insgesamt, so muss man zu anderen Schlüssen kommen.
Die Dresdner Elbtalweitung hat im Bereich Könerplatz eine geologische Engstelle, die durch den westlichsten Ausläufer des Lausitzer Granitmassivs gebildet wird. Dies hat zur Folge, dass rechtselbisch auf Flussniveau nur ein sehr schmaler Durchlass ist. Autos können die Höhenunterschiede problemlos überwinden. Für Radfahrer stellten diese aber eine Barriere dar, sofern sie nicht den Körnerweg nutzen können.
Die Alternative ist der Umweg über die (enge und steile) Schillerstraße oder über das Blaue Wunder und zurück über die Albertbrücke oder künftig über die Waldschlösschenbrücke. Ohne Körnerweg entsteht mehr (unnötiger) Radverkehr auf dem Blauen Wunder und in der Folge im Bereich Schillerplatz / Goethestraße und gleichzeitig verhindert man so mehr Radverkehr insgesamt, weil ganze Stadtteile von einer bequemen Rad-Verbindung von und nach der Innenstadt abgeschnitten werden.
Das Fahrrad im Allgemeinen ist gut für die Gesundheit (entlastet Krankenkassen, Krankenhäuser, Ärzte...) und die Umwelt (beste Energiebilanz aller Verkehrsmittel) und es ist das Verkehrsmittel, das am wenigsten verbraucht von knappen und teuren Ressourcen wie
  • Brennstoffe 
  • Parkplätze
  • Verkehrsraum
Gegen all das steht die engstirnige, auf die Lokalität Körnerweg fokusierte Sichtweise der Bürgerinitiative!


Denkmalschutz kontra Denkmalschutz

Mehr Radverkehr bedeutet weniger Autoverkehr. Weniger Autoverkehr bedeutet weniger Abgase. Weniger Abgase bedeuten mehr Schutz für unsere Baudenkmale. "Dem Erhalt schützenswerter Bausubstanz kommt immer mehr Bedeutung zu. Durch umweltschädigende Abgase und durch chemische Prozesse in den Baustoffen werden Bauwerke und Fassaden geschädigt. Prächtige Bauten, die Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende überdauert haben und Eindrücke über Fertigkeiten, Leben und Tüchtigkeit der Erbauer erkennen lassen, werden innerhalb weniger Jahre zerstört." schreibt der Fachverband Fassadensanierung. Mehr Bürger vom Auto aufs Rad zu bringen ist also geradezu eine Mission zugunsten des Denkmalschutzes. Gerade der Sandstein leidet besonders stark unter der Abgasbelastung in der Stadt. Ein behutsamer Eingriff am Körnerweg ist also zum Vorteil des Denkmalschutzes als Ganzes.
Zum Denkmalwert dieser Kulturlandschaft gehört eben dieses überlieferte homogene Erscheinungsbild einschließlich seiner Nutzungs- und Alterungsspuren. Weil der Denkmalwert an die Erhaltung des Originalzustandes zwingend gebunden ist, sind lediglich sehr behutsame Eingriffe statthaft.
... heißt es bei der BI weiter. Ein "homogenes Erscheinungsbild" einschließlich "Nutzungs- und Alterungsspuren" ist eine Platitüde. Durch Abnutzung von Straßen (Schlaglöcher, Pfützen, verrutschte Steine) geht das ursprünglich homogene Erscheinungsbild verloren und wird inhomogen.
Der zweite Satz ist schon der Widerspruch zum ersten, denn es geht um die Erhaltung des Originalzustandes, nicht um die Subvention von Alterung und Abnutzung.
Dennoch wird niemand ernsthaft widersprechen, wenn gefordert wird, dass Eingriffe so behutsam wie möglich sein sollten.
Die geplante Asphaltierung zerstört den Denkmalwert des Körnerweges, und zwar unwiederbringlich.Hinzu kommt, dass die technische Ausführung der alten Pflasterung den jährlichen Überschwemmungen der Elbe standgehalten und sich über Jahrhunderte bewährt hat. Dieser Aspekt ist von wesentlicher Bedeutung, da sich nahezu der gesamte Körnerweg im Überschwemmungsgebiet der Elbe befindet (siehe Verordnung der Landeshauptstadt Dresden zur Festsetzung des Überschwemmungsgebietes der Elbe in Dresden vom 11. Mai 2000).
Das Jahrhunderthochwasser hat diese Argumentation inzwischen entkräftet. Im Gegenteil. Die asphaltierten Wege sind besser durch das Hochwasser gekommen als alle anderen Bauarten.
Die Ufermauern, der Weg und die Stützmauern bilden eine statisch funktionierende und kraftschlüssige Einheit. Die Zerstörung eines Teils, hier der Wegpflasterung, wird einen katastrophalen Einfluss auf die anderen Teile haben.Im Gegensatz zu einer Asphaltierung kann der gepflasterte Sandsteinweg auch Querkräfte von Mauer und Ufer aufnehmen und ist erheblich flexibler in Bezug auf Frostphasen nach Überschwemmungsperioden. (Ähnliche Fehler machte man in Teilbereichen des Rheins, in deren Folge betonierte und asphaltierte Wege schon durch wenige Hochwasser an den Rändern unterspült und rasch zerstört wurden.)Da die flache und schmale Gründung aller Stützmauern die in diesem Umfang geplanten Baumaßnahmen nicht zulassen, ist zu befürchten, dass Uferstützmauern sowie Uferbefestigungen in Mitleidenschaft gezogen werden. 
Stimmt nur, wenn man die Befestigung beseitigt. Durch fachgerechte Überbauung entstehen die beschriebenen Schäden nicht.
Weiterhin ist zu bemerken, dass es bisher ein konfliktfreies Nebeneinander von Wanderern, Radfahrern, spielenden Kindern, Anwohnern, Reitern und Pferdefuhrwerken gibt. Selbstredend ordnen sich die Anlieger mit ihren Autos diesem funktionstüchtigen Gefüge unter und fahren Schrittgeschwindigkeit. Gegenseitige Rücksichtnahme funktioniert zum gegenseitigen Vorteil. Hier wird eine Lebens- und Wohnqualität, wie sie heute bei Stadtrekonstruktionen und Neuplanungen mit hohem planerischen und finanziellen Aufwand angestrebt, aber kaum erreicht wird, für alle Verkehrsteilnehmer gewahrt. Mit dem Ausbau des historischen Weges primär für Radfahrer ginge das bisherige Gleichgewicht verloren.

Gegensatz von Radfahrern und Fußgängern? Zwischen Anwohnern und Nichtanwohnern!

Es wird ganz sicher hier kein reiner Radweg möglich sein und auch nirgendwo gefordert. Der "Ausbau primär für Radfahrer" meint wohl die Beseitigung der Mängel an der Befahrbarkeit. Der weg ist aber auch nicht "begehbar" und für Fußgänger, insbesondere ältere Menschen, schlicht eine Zumutung. Wenn die Fußgänger die Wahl zwischen Asphalt und Kopfsteinpflaster haben, nutzen sie den Asphalt, wie am Körnerweg weiter unten selbst zu sehen ist - siehe dazu Frank Nagel - Ausbauvarianten Körnerweg - Abbildungen unter Punkt 6. Der Gegensatz ist nicht Radfahrer - Fußgänger sondern Nichtanwohner - Anwohner. Ja. Letztere verlieren vielleicht etwas an Wohnqualität, wenn mehr Leben auf dem Körnerweg ist. Wenn das Interesse am Denkmalschutz bei den Anwohnern aber nicht nur vorgeschützt sondern ehrlich ist, werden sie im Interesse der ganzen Stadt den Nachteil in Kauf nehmen.
Anzumerken seien zusätzlich die im Wegbereich befindlichen Grundstückseingänge, die mit den oben genannten Fakten ein erhebliches Gefahrenpotential für alle Verkehrsteilnehmer beinhalten. 
Der Ausbau könnte so erfolgen, dass an der Stützmauerseite ein Streifen mit Pflaster sichtbar bleibt, was auch dem Denkmal zugute käme. Dies wäre zugleich ein Schutzstreifen für sicheres Heraustreten.
Zusätzlich gilt es darauf hinzuweisen, dass moderne Räder auf Asphalt rasante Geschwindigkeiten erzielen, ebenso wie Rollerskater, welche die Asphaltierung gerne annehmen werden.
Die rammsauersche Wortwahl dahingestellt sind moderne Räder in der Tat schnell und man muss sich schon hier wie überall darauf einstellen. Auch darauf, dass es Unvernünftige und Rücksichtslose gibt. Es ist nicht ersichtlich, wodurch Körnerweg-Anwohner ein Privileg haben sollten, das sie vor den alltäglichen Erscheinungen mehr schützt als Menschen anderswo. Hier ist weder ein Kindergarten noch Schule noch ein Altenheim.
Weiterhin geben wir zu bedenken, dass auch künftig die uneingeschränkte Zufahrt und bedingte Durchfahrt für Pkw und Lkw möglich sein muss, insbesondere für Polizei, Feuerwehr, Krankenwagen, Müllabfuhr, Baufahrzeuge, Taxis und nicht zuletzt durch Privaffahrzeuge der Anlieger, die zum Be- und Entladen zu ihren Grundstücken fahren und in der Nähe bzw. auf ihren Grundstücken parken. Das Recht der Anlieger würde durch die Ausweisung des Körnerweges als Radweg erheblich beeinträchtigt, Konflikte wären vorprogrammiert und mögliche juristische Komplikationen sind absehbar.
Hier wird weiter mutwillig in die Irre geführt, da es nicht um einen reinen Radweg im Sinne der StVO geht.
Der unbedingten Erhaltung dieses über die Jahrhunderte gewachsenen und für Dresden so einmaligen Bauwerkes gilt unser besonderes Interesse und unser Engagement.
Das ist schön, aber es drängt sich der Verdacht auf, dass dies nicht uneigennützig ist. Uneigennützig wäre das Interesse nur, wenn es dem Erhalt der Kulturlandschaft als Ganzes mehr diente als dem Vorteil, einen Weg für sich allein zu haben. Die Einrede eines bestehenden "konfliktfreien Nebeneinander" aller Verkehrsarten beim jetzigen Zustand wird nämlich durch zahlreiche Leserzuschriften über Jahre, Beschwerden und die unendliche Debatte gerade um diesen Abschnitt eindrucksvoll widerlegt.

Quelle (Wortlaut der Stellungnahme)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen